Strippenzieher mit offener rechter Flanke

Hermann Winkler, 57, ist neuer Chef-Lobbyist des Fußball-Ostens. Der langjährige sächsische CDU-Politiker könnte den Nordostdeutschen Fußballverband modernisieren – und bietet politische Reibungsfläche.

Der neue starke Mann im ostdeutschen Fußball hatte schon zu DDR-Zeiten verstanden, wie Politik funktioniert. 1988, ein Jahr vor dem Mauerfall, trat Hermann Winkler in die Ost-CDU ein. Das war damals kein oppositioneller Akt, sondern eine Anbiederung an den SED-Staat. Wer sich bei den Blockparteien einreihte, der durfte in der DDR Karriere machen. Das hat ihm auch im wiedervereinigten Deutschland nicht geschadet, im Gegenteil.

Kaum ein Amt, das Winkler nicht bekleidet hätte

Mit seinen 57 Jahren blickt Winkler auf lange politische Laufbahn zurück, die ihn über Leipzig und Dresden bis nach Brüssel führte. Jetzt geht es in die Verlängerung – als neuer kommissarischer Präsident des Nordostdeutschen Fußballverbands (NOFV) und Nachfolger des plötzlich verstorbenen Erwin Bugár. 1990 war für Winkler keine Karrierebremse, sondern der Startschuss für einen rasanten Aufstieg in der sächsischen Politik. Vize-Bürgermeister in seiner Heimatstadt Grimma, Landtagsabgeordneter von der ersten Stunde, Vorsitzender der Jungen Union, CDU-Generalsekretär, Staatskanzlei-Chef, Europa-Abgeordneter – es gibt kaum ein Amt, das Winkler nicht bekleidet hätte. Wenn sich etwas durch die Biographie des gebürtigen Grimmaers und gelernten Ingenieurs zieht, dann ist das eine gewisse Geschmeidigkeit.

Jetzt hat er also zum obersten Fußball-Lobbyisten im Osten gebracht. Und steht als solcher vor einigen Schwierigkeiten. Gut 30 Jahre nach der Einheit trauern die meisten Ostvereine noch immer den ruhmreichen Tagen von früher nach. Sie haben große Tradition und leidenschaftliche Anhänger, aber oft mangelt es am Geld oder zumindest an Strategen, die wissen, wie man es sinnvoll einsetzt. In der Corona-Pandemie gibt die Regionalliga Nordost, die höchste Spielklasse des NOFV, ein erbärmliches Bild ab. Während in den West- und Südwest-Staffeln der Ball rollt, hat die „AG Fortführung Spielbetrieb“ beschlossen, den Spielbetrieb weiterhin nicht fortzuführen.

Im Ostfußball herrscht Lethargie

Die zweite Welle hat den NOFV und seine Vorzeige-Liga in Erstarrung versetzt. Die Funktionäre scheinen nicht einmal im Ansatz mit einem erneuten Lockdown gerechnet zu haben. Stattdessen wurden Liga und Spielplan im Sommer kräftig aufgebläht. Als das Land erneut heruntergefahren wurde, hatte man in Nordrhein-Westfalen schon einen finalen Plan, die Saison mit Geisterspielen, digitaler Vermarktung und Staatshilfen fortzusetzen. Im Nordosten dagegen passierte: nicht viel. Abgesehen von einer weltfremden Debatte, wie die Saison mit Zuschauern fortgesetzt werden könnte, in der sich abgeschlagene Vereine gegenseitig mit kreativen Rechenmodellen überbieten, um ihre Chance auf einen Aufstieg zu wahren.

Der NOFV hat dabei auf ganzer Linie versagt. Weder ist es bislang gelungen, die zerstrittenen Klubs zu einen und eine realistische Option zur Saisonfortsetzung vorzulegen. Noch konnte sich der Verband gegenüber der Politik Gehör verschaffen und finanzielle Unterstützung organisieren. Als wäre das nicht genug, droht ein Bruch mit dem langjährigen Haussender MDR, der angeblich aus der TV-Vermarktung aussteigen will. Jetzt rächt sich, dass die Liga tatenlos auf den Herbst-Lockdown zugesteuert ist. Mit jeder Woche, ohne dass in der Regionalliga Nordost der Ball rollt, geraten Liga und Klubs ein bisschen mehr in Vergessenheit. Ob die Fans einmal zurückkommen, wenn sie denn wieder dürfen, ist alles andere als ausgemacht. Da erscheint es noch als leichteste Aufgabe, dass die NOFV-Webseite aus den frühen 2000ern abgeholt werden will.

Weiter-so oder echter Neustart?

Über fehlende Herausforderungen kann sich Neu-Präsident Hermann Winkler also nicht beklagen. Der Strippenzieher, dem ein exzellentes Netzwerk nachgesagt wird, sollte keine Mühe haben, dem Ostfußball mehr Resonanz zu verschaffen. Schon in seiner bisherigen Funktion als NOFV-Vize hatte der kommunikativ starke Winkler in den vergangenen Monaten viele Medienauftritte – als Chef-Lobbyist sollten es noch mehr werden.

Bedeutet die Personalie nun ein Weiter-so oder eine Chance für einen echten Neustart? Einerseits verkörpert Winkler jenen Typ Apparatschik, wie er typisch ist für Sportverbände, die von ausgedienten Politfunktionären als Spielwiese entdeckt werden. Andererseits könnte Winkler, der mittlerweile als Unternehmensberater arbeitet, mit seiner Mischung aus politischem Geschick, kommunikativer Stärke und Pragmatismus den NOFV beleben und professionalisieren.

Flirt mit der AfD

Genügend Reibungsfläche bietet Winkler in jedem Fall. In den vergangenen Jahren ist er weder davor zurückgeschreckt, sich mit seiner eigenen Partei anzulegen noch mit dem mächtigen DFB. 2016 geriet der damalige sächsische Europaabgeordnete in die Negativschlagzeilen, als er unverhohlen mit ganz rechts außen flirtete und meinte: „Wenn es eine bürgerliche Mehrheit gemeinsam mit der AfD gibt, sollten wir mit ihr koalieren.“ Nun könnte man meinen, dieses eine Mal hat Winkler sein politisches Gespür verlassen. Aber er wäre nicht der erste sächsische CDU-Politiker, der mit dem rechten Auge nicht so genau hinsieht.