Nur noch ein Standardverein

„Chemie Leipzig ist kein Standardverein und ein Dank an den anderen aus Frankfurt am Main!“, rappte Benjamin Schmidt aka Benniez in seinem Track „Grünes Blut„. Kein Standardverein – das traf eigentlich auch auf den SV Babelsberg 03 zu. Ein Verein, der mit seinem langjährigen Einsatz für Toleranz und gegen Nazis ein positives Gegenbeispiel zum vielerorts rechten ostdeutschen Mainstream setzte. Aber in den vergangenen Jahren hat sich etwas geändert. Was genau und warum das nicht nur an Daniel Frahn festzumachen ist, lest ihr in diesem Artikel.

Daniel Frahn – Heim ins Reich

Das Ende des nicht-standardisierten SV Babelsberg begann im Januar 2020 mit der Entscheidung, einen verlorenen Sohn zurückzuholen, der sich anderswo unmöglich gemacht hatte: Daniel Frahn. Der Stürmer war im August 2019 beim Chemnitzer FC wegen rufschädigenden Verhaltens geschasst worden. Frahn wurde unter anderem zur Last gelegt, nach einem Tor ein „Support your local Hools“-T-Shirt hochgehalten zu haben, welches dem verstorbenen Neonazi Thomas Haller gewidmet war. Der endgültige Grund für die fristlose Entlassung war dann, dass sich Frahn, als er verletzt im Kader fehlte, Seite an Seite mit Mitgliedern der rechtextremen Gruppierungen „Kaotic Chemnitz“ und „NS Boys“ im Hallenser Auswärtsblock zeigte. Er soll Personen, die diesen Gruppen zuzurechnen sind, in seinem privaten Auto zum Spiel und wieder zurückgefahren und sie auch privat besucht haben.

Daniel Frahn mit Personen der „Kaotic Chemnitz“ Im Gästeblock in Halle – Quelle: Sportbuzzer

Das war selbst dem Chemnitzer FC zu viel. Der Club, der immer wieder wegen seiner rechtsextremen Anhängerschaft in den Schlagzeilen steht, setzte Frahn vor die Tür. Der Geschasste zog vors Arbeitsgericht. Im Dezember 2019 erklärten die Richter die Entlassung für unwirksam, woraufhin der Verein Berufung einlegte. Bevor aber der Fall aber in nächster Instanz zur Verhandlung kam, einigten sich beide Parteien außergerichtlich. Im Januar 2020 gab es dann die ersten Gerüchte, Frahn sei in Babelsberg im Probetraining, um sich fit zu halten. Eine Verpflichtung konnte man sich er aber nur schwer vorstellen.

Bis zum 31. Januar, als es durchaus überraschend hieß: Der SV Babelsberg 03 nimmt Daniel Frahn unter Vertrag. Der Transfer schlug hohe Wellen. Spiegel, Zeit, taz, Sportbuzzer, Vice – kaum ein Medium, das nicht darüber berichtete. Der Aufschrei war überall riesig – nur nicht in der aktiven Fanszene des SV Babelsberg. Der Vorstand versuchte es gar nicht erst mit einer kritischen Auseinandersetzung:

„Wir haben die Vergangenheit von Daniel Frahn genau unter die Lupe genommen und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir, unter Berücksichtigung aller Aspekte und seinem klaren Bekenntnis zu den Werten unseres Vereins, ihn willkommen heißen.“

Archibald Horlitz, damaliger Vorstandsvorsitzender des SV Babelsberg
Bei der Einwechslung Frahns zeigten die Gästefans das mittlerweile ikonische Transparent „Daniel Frahn – Heim ins Reich“. – Quelle: Höllenreiter

Das soll nicht heißen, dass bei Nulldrei jede und jeder Frahn willkommen hießen, aber kritische Töne waren nahezu ausschließlich außerhalb Potsdams zu vernehmen. Und wie der Fußballgott es so wollte, ist nur drei Tage später die BSG Chemie zu Gast im Karl-Liebknecht-Stadion. Gerüchten zufolge soll Frahns Berater auch in Leutzsch (und Probstheida) nach einen Kaderplatz gefragt haben. Bereits vor dem Anpfiff wurde im Gästeblock ein Transparent mit „SVB: Im Abstiegskampf ist jedes Mittel rechts“ präsentiert. Im weiteren Spielverlauf folgten zwei weitere: „Ein Fußbreit den Faschisten“ und „Daniel Frahn – Heim ins Reich“. Proteste oder kritische Aktionen auf der Heimseite? Nur eine kleine.

Die Gruppierung „Brigade Konrad Wolf“ hang am Spieltag ihre Zaunfahne aus Protest gegen die Verpflichtung Frahns verkehrt herum an den Zaun. Ein stiller Protest. Aber immerhin ein Protest. Einige Tage später schob man noch in Zusammenarbeit mit 6 weiteren Gruppen, davon keine ultráorientiert, einen offenen Brief nach. Der Ton in diesen war durchaus scharf und sehr kritisch gegenüber den eigenen Verein. Bis auf einen zweiten offenen Brief ist es aber auch aus dieser Ecke still geworden mit der Kritik.

Immerhin ein kleiner Protest auf der Heimseite – Quelle: Twitter

Auch nach Abpfiff wurde Frahn von der Kurve behandelt, als wäre nie etwas gewesen. Ultras des SVB klatschten mit ihm sogar vom Zaun aus ab. Überregional mussten sich die Potsdamer teilweise heftiger Kritik stellen. Die Glaubwürdigkeit der vielen progressiven gesellschaftspolitischen Projekte stand plötzlich grundlegend in Frage.

Eine Woche später bot der Verein Fans und Mitgliedern eine Aussprache mit Frahn an, um die Hintergründe der Verpflichtung zu erklären. Frahn laberte dort runter, was er zuvor bereits in Chemnitz gesagt hatte: Er habe von nichts gewusst, wäre naiv gewesen, habe nicht genug hinterfragt, aber distanziere sich klar vom rechten Gedankengut. Anscheinend reichte das bereits, um einen Großteil der Anwesenden zufriedenzustellen. Denn seitdem ist Frahn in Babelsberg weitgehend normalisiert. Er hat sich seitdem nichts mehr zuschulden kommen lassen und hält sich in der Öffentlichkeit bei nicht-sportlichen Themen zurück. Allerdings stößt mir – auch mit mittlerweile drei Jahren Abstand – die Causa bitter auf. Für mich gibt es seither zwei verschiedene SV Babelsberg 03: den Verein „davor“ und jenen „danach“.

Was darf Satire? – Quelle: Jungle World

Ob Frahn nun ein Nazi, ein Mitläufer oder einfach nur ein unbedarfter Naivling ist, sollte angesichts der Grundsätze des SV Babelsberg keine signifikante Rolle spielen. Frahn hatte nachweislich verdächtig intensive Kontakte in die rechtsextreme Chemnitzer Szene: spielte Playstation mit Neonazis, traf sie wahrscheinlich sogar auf dem Chemnitzer Stadtfest oder kutschierte sie mit dem eigenen Auto zum Auswärtsspiel nach Halle. Der SV Babelsberg hat am 31. Januar 2020 nichts geringeres als seine eigenen Werte verraten. Wer sich Ché Guevara, Karl Liebknecht oder Rosa Luxemburg auf die Fahnen malt, duldet niemanden der mit Nazis hängt – eigentlich.

Die Tür von Babelsberg

Es ist der 7. August 2022. Das erste Saisonspiel unserer BSG steht an. Es geht auswärts nach Babelsberg. Nicht nur sportlich ein schwieriger Start. Die Babelsberger Fanszene genießt in Leutzsch nicht mehr das Ansehen und den Respekt früherer Tage. Und dieses Ansehen sollte nach diesem Tag noch weiter sinken.

Beginnen wir chronologisch: Mehr als 1.000 gut gelaunte Chemiker:innen machten sich auf den Weg nach Potsdam-Babelsberg. Aufgrund der hohen Zahl an Schlachtenbummler:innen gibt es viele Augenzeugenberichte, die sich allesamt decken: Schon am Einlass gab es Irritationen, was die politische Überzeugungen des eingesetzten Personals anging. Die Securities waren klar dem rechten Spektrum zuzuordnen. Einige trugen die einschlägigen Szenemarken „Yakuza“ und „Thor Steinar“ und extrem Rechte Symbole wie die „Schwarze Sonne“ als Tattoo zur Schau. Und sie gaben sich nicht mal Mühe, diese unverhohlenen Botschaften zu verstecken.

Ich befragte einige Fans anderer Vereine, die in dieser Saison bereits im Babelsberger Gästeblock standen. Auch Fans des FC Carl Zeiss Jena berichten, dass Ordner am Einlass des Gästeblocks Klamotten von „Label-23“ und „Thor Steinar“ trugen. Tattoos dagegen konnten wegen der wetterbedingt langen Kleidung nicht gesichtet werden. Falls ihr oder Freund:innen von euch zur Einlasssituation in Babelsberg weiteres berichten könnt, meldet euch gerne bei uns.

Gerüchten zufolge ist der Security-Service in dieser Saison ein anderer als in den Vorjahren. Eine harte Quelle konnte ich dafür leider nicht finden. Fakt ist jedoch: Der SV Babelsberg engagiert und bezahlt eine Security-Firma, welche klar erkennbare Personen aus der rechten Szene beschäftigt. Indirekt bezahlt der Kiezklub nun also Nazis. Das ist, für Babelsberger Verhältnisse, mehr als skandalös.

Rico Gladrow und „der Schwarze aus Fürstenwalde“

Auf dem Platz unterlag unsere BSG den Babelsbergern mit 2:4. Die Sympathikusse Frahn und Ex-Clubschwein Matthias Steinborn trafen. Auch ein Neuzugang von Tennis Borussia Berlin machte ein Tor – Mittelfeldregisseur Rico Gladrow. Ihm sollten allerdings seine Aussagen auf dem Platz später zum Verhängnis werden.

Kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit geriet Rico Gladrow mit Manassé Eshele aneinander. Gladrow soll ihn „den Schwarzen aus Fürstenwalde“ genannt haben. Diese Aussage wurde bereits direkt nach dem Spiel kolportiert. Der Schiedsrichter hat dies aber wohl nicht gehört und somit nicht im Spielbericht vermerkt. Eshele traf wenige Minuten später und zeigte ein Shirt unter seinem Trikot. „Black Lives Still Matter“ stand auf diesem Weiß auf Schwarz geschrieben. Die direkte Antwort auf Gladrows rassistische Entgleisung.

Esheles Jubel nach dem zwischenzeitlichen 2:2 Ausgleich. Bildquelle: Twitter

Das noFV-Sportgericht sperrte Gladrow nach Prüfung der Sachlage für fünf Spiele. Eine derart lange Strafe sieht die Spielordnung ausschließlich bei schweren nicht-sportlichen Vergehen vor, etwa bei rassistischen Beleidigungen. Das Urteil machte der SV Babelsberg erst publik, als Gladrow bereits zwei Spiele abgesessen hatte. Zumindest fragwürdig ist es für einen Verein, der sich immer wieder auf die Fahnen schreibt, gegen Rassismus und für Toleranz und Integration einzustehen, ein Urteil wegen einer rassistischen Beleidigung durch einen eigenen Spieler herunterzuspielen, um nicht zu sagen: zu vertuschen. Als dann endlich die Pressemitteilung des Vereins veröffentlicht wurde, sorgte diese für einige Fragezeichen.

„Anders als kolportiert, hat es nach Aussage unseres Spielers keine rassistische Beleidigung gegeben. Aufgrund verschiedener Zeugenberichte glauben wir der Darstellung unseres Spielers uneingeschränkt.“

Die Pressemitteilung des SV Babelsberg zur Sperre von Rico Gladrow

Ob es sich bei den Zeugen um Daniel Frahn und Matthias Steinborn handelte, ist nicht überliefert. Es ist ein starkes Stück, Manassé Eshele indirekt der Lüge zu bezichtigen. Fragwürdig ist auch die Annahme, dass die Mitspieler Gladrows in einer undurchsichtigen Situation wie einer Rudelbildung auf dem Platz komplett den Überblick behalten haben und wirklich ausschließen können, dass diese Bemerkung nicht gefallen ist. Aber es geht noch weiter mit den zweifelhaften Aussagen in der Vereinsstellungnahme.

„Auch wenn wir das unsportliche Verhalten missbilligen und von unseren Spielern Werte wie Respekt und Fairness fordern, ist die verhängte Sperre von fünf Spielen ungewöhnlich hoch. Doch hat der NOFV angekündigt, dass er künftig solche Äußerungen, härter als bislang ahnden wird. Deshalb haben wir die Strafe akzeptiert.“

Die Pressemitteilung des SV Babelsberg zur Sperre von Rico Gladrow

Eine weitere Episode des Rechtes-Auge-Zudrückens in Babelsberg. Der SV Babelsberg irritiert erneut mit schwammigen Statements und relativierenden Rechtfertigungen. Und das gilt nicht nur für den Verein. Die Fanszene schwieg zum Thema Gladrow – wie schon überwiegend in der Causa Frahn. Es ist einmal mehr ein Armutszeugnis. Und ich frage mich, was schwerer wiegt. Denn Gladrow machte seine rassistische Aussage im Trikot des SV Babelsberg 03, handelte also als Angestellter des Vereins, der sein Vergehen in Schutz nahm.

In den sozialen Netzwerken bröckelte die Fassade des SV Babelsberg erneut stark. Einige Babelsberger verteidigten Gladrow oder relativierten die Aussage. Beispiele dafür findet ihr in den Kommentaren unter den oben angepinnten Tweets. Nulldrei hat bestimmt kein Naziproblem – weder im Kader noch auf den Rängen – aber mittlerweile eindeutig ein Problem, sich klar von rechtem und rassistischem Gedankengut abzugrenzen.

Die Sache mit Oatly

In der Saison 2019/20 trug der SV Babelsberg noch Werbung für die Seebrücke auf der Brust. Seit dieser Saison trägt Nulldrei Oatly als Hauptsponsor auf dem Trikot. Oatly ist ein schwedisches Lebensmittelunternehmen, welches Hafermilchgetränke und Eis auf Haferbasis vertreibt. Das Unternehmen hat sich auf die Fahnen geschrieben, Nachhaltigkeit und Klimaschutz an erste Stelle zu setzen. Aber damit scheint es bei Oatly mittlerweile nicht mehr weit her zu sein.

Oatly statt Seebrücke – Quelle: SV Babelsberg

Bereits 2016 war der hippe Milchersatzproduktproduzent das erste Mal heftig in der Kritik. Denn 2016 kaufte der chinesische Staatskonzern China Resources gut 30 Prozent der Anteile an Oatly. China sieht sich immer wieder gerechtfertigten Vorwürfen zu Menschenrechtsverstößen (insbesondere gegen Uiguren) ausgesetzt. Zudem hat China eine eher unrühmliche Position in Sachen Klimapolitik. In absoluten Zahlen betrachtet verursacht China den höchsten CO2-Ausstoß weltweit. Das passt eher nicht so zum Nachhaltigkeitsprinzip von Oatly.

2020 wurde dann richtig groß in Oatly investiert. 400 Millionen Dollar steckten mehrere Investoren in das schwedische Unternehmen. Unter anderem Jay-Z, Oprah Winfrey und Natalie Portman investierten. Die größte Summe investierte aber der US-Konzern Blackstone. Für 200 Millionen Dollar erwarb man ungefähr zehn Prozent der Anteile. Das Problem: Blackstone-CEO Stephen Schwartzman ist ein enger Vertrauter und Wahlkampfunterstützer von Ex-US-Präsident Donald Trump. Trump, weltweit umstritten und gehasst für seinen rechtspopulistischen Kurs und seine aggressive Außenpolitik, erhielt im Wahlkampf 2020 etwa drei Millionen US-Dollar von Blackstone als Unterstützung.

Blackstone wiederum hält auch große Anteile an Unternehmen wie „Hidrovias“. Dieses Unternehmen ist im großen Stil an der Abholzung des Regenwaldes im Amazonas beteiligt. An den gerodeten Stellen betreibt „Hidrovias“ Sojaanbau, welches dann zu Futter verarbeitet und in der Massentierhaltung eingesetzt wird. Massentierhaltung ist eigentlich etwas, wogegen sich Oatly immer wieder ausgesprochen hat. Oatly forderte auch 2019 per Petition dazu auf, dass Lebensmittelhersteller ihre CO2-Bilanzen transparenter machen sollen.

Auf Oatly, deren Anhängerschaft zu dem Zeitpunkt eher einem links-grünen Klientel angehörte, brach ein riesiger Shitstorm ein. Influencer riefen zum Boykott auf, das Statement des Unternehmens wurde als lächerlich abgestempelt und die Aktienkurse fielen rapide. Die fallenden Aktienkurse halten sogar an. Generell kann man sagen, dass Oatly gerade weniger rosige Zeiten durchlebt.

Das Gute habe ich schon des längeren nicht mehr gesehen – Quelle: Höllenreiter

Kritik an Oatly gibt es einige, auch von verschiedenen Seiten. Allerdings kritsiere ich den SV Babelsberg nicht dafür, dass der Hauptsponsor in seinem veganen Hafermilchgetränk zu viel Zucker hat, sondern dafür, mit Rassisten zusammenzuarbeiten und seine eigenen Werte verraten zu haben. Wobei, wenn ich das jetzt so lese, passt Oatly vielleicht doch sehr gut zum SV Babelsberg. Der Hafermilchkonzern unternimmt mit dem Sponsoring in Babelsberg augenscheinlich den Versuch, sein angekratztes Image in linken und progressiven Kreisen aufzupolieren. Es stellt sich nur die Frage, ob Nulldrei dafür überhaupt noch die richtige Plattform ist.