Quo vadis, NOFV?

Die Coronazahlen explodieren unaufhörlich und das politische Versagen in diesem Fall nimmt nie gekannte Ausmaße an, so dass wir uns auch in der Regionalliga Nordost wieder einer Lockdown-ähnlichen Situation nähern. An einen normalen Spielbetrieb ist spätestens seit der mehr als überfälligen und richtigen Entscheidung der sächsischen Landesregierung auch bei Großveranstaltungen auf Zuschauer zu verzichten, nicht mehr zu denken. Und um so trauriger blickte man dann heute in den  Bildschirm seiner Wahl, als die BSG Chemie Leipzig in einem trostlosen und sportlich desolaten Heimspiel vor leeren Rängen mit 1:2 gegen Energie Cottbus verlor. Eigentlich wäre der altehrwürdige Sportpark in normalen Zeiten ausverkauft gewesen und dieses Spiel wäre ein echter fantechnischer Leckerbissen geworden, Werbung für den stimmunsvollen Ostfußball und Werbung für die Regionalliga Nordost. Gab es wirklich keine andere Lösung, als dieses Spiel als Geisterspiel zu betrachten?

Corona und der NOFV

Blicken wir auf die Spielorganisation des Nordostdeutschen Fußball Verband zurück, dann sind wir in den letzten zwei Pandemiejahren leider nicht wirklich verwöhnt wurde und stattdessen oft mit desolaten Entscheidungen seitens des Verbandes konfrontiert wurden. Beispielhaft soll hier das krampfhafte Festhalten an der Fortführung der Liga in der ersten Welle, das ausgelassene Entscheidungsspiel zwischen der VSG Altglienicke und dem Ortsrivalen genannt werden. Ein Verhalten was sich auch in der zweiten Coronasaison fortsetzte und dort seinen Höhepunkt in der mangelnden alternativen Vorbereitung auf eine Saisonunterbrechung, der lächerlichen Flutlichtposse um den Berliner AK und der aberwitzigen Forderung nach der Anschaffung einer mobilen Flutlichtanlage bei der BSG Chemie Leipzig fand. Irgendwie hofft man ja noch, dass der NOFV wenigstens für die dritte Coronasaison aus seinen vorangegangenen Fehlern lernen möge und endlich einen vernünftigen Plan für den Umgang mit der Pandemie in der Regionalliga finden würde. Tatsächlich wurde in der Spielordnung allerdings wenig getan, so dass weiterhin nicht klar geregelt war, wann ein Spiel verschoben werden dürfe, wenn Coronafälle in einer Mannschaft auftraten oder wie mit eventuellen Zuschauerbegrenzungen und Ausschlüssen umgegangen werden würde.

Diese Dinge wurden sozusagen jetzt Live erarbeitet, als die oben beschriebene Situation in Sachsen eingetreten ist. Ganze 5 Vereine, immerhin ein Viertel der Liga, waren mit dem Beschluss der sächsischen Landesregierung von Zuschauerausschlüssen betroffen, welche sich über 4 Spieltage ziehen sollen. Und unser Verein, die BSG Chemie, ist mit dem Heimspiel gegen Energie Cottbus und den Nachbarschaftsduellen mit dem FC Eilenburg und dem ZFC Meuselwitz gleich mit drei besonderes attraktiven Partien betroffen. Es bedurfte also einer solidarischen Lösung, im Sinne der „benachteiligten“ Vereine. Die BSG Chemie beantragte aus diesen Gründen die Verlegung der Spiele, um nicht erneut auf einem Batzen von fehlenden Einnahmen sitzen zu bleiben. Und der Verband? Der handelte mal wieder, ähnlich wie bereits im Zuge der mobilen Flutlichtdebatte, nicht im Sinne der BSG Chemie und lehnte die Verlegung der Spiele ab. Die Begründung dazu, gibt die BSG Chemie wie folgt an:

„In der Begründung des NOFV heißt es, die Entscheidung sei unter „Abwägung aller Vor- und Nachteile für die BSG Chemie Leipzig“ im Speziellen wie auch den „Gesamtspielbetrieb der Vereine der Regionalliga“ im Allgemeinen getroffen worden; eine Begründung, welche die BSG Chemie Leipzig stutzig bis ratlos zurücklässt. Es wird darauf verwiesen, dass eine Stattgabe der Anträge von Verbandsseite „gleichgelagerten Anträge[n] weitere[r] Vereine der Regionalliga“ Tür und Tor öffnen würde und man in der Konsequenz „den Spielbetrieb sofort einstellen könnte.“ Dies stehe konträr zum Interesse einer „Vielzahl“ von Vereinen sowie des Nordostdeutschen Fußballverbandes. Belege hierfür, wie beispielsweise eine Umfrage unter den 20 beteiligten Vereinen, Korrespondenz mit Verantwortlichen oder Ähnliches, sucht man vergebens. Es lässt sich lediglich erkennen, dass Vereine, die von Einnahmeverlusten in der Größenordnung der BSG Chemie verschont bleiben, auch an dieser Thematik wenig liegen dürfte.“

Statement der BSG Chemie Leipzig

Dabei war diese Ablehnung nur der Gipfel einer unglaublichen Woche, in der der Präsident des NOFV Hermann Winkler mal wieder eine zentrale Rolle in den Medien eingenommen hatte.

Geisterspiele oder Verlegung?

Dabei begann alles noch ganz harmlos, in der Halbzeitpause des Leipziger Ortsderbys, als Hermann Winkler, adrett in schwarzen Lederschuhen, einer Jeans sowie einem schwarzen Daunenmantel gekleidet, mit verzausten grauen Haaren und seiner für ihn typischen Brille mit großen runden Gläsern vor die Kamera des Mitteldeutschen Rundfunks trat. In dem folgendem 5 Minuten Interview bediente er zum einen wieder das Narrativ des nichts pandemietreibenden Sports, der immer wieder von der großen Politik in den Lockdown geschickt würde und sprach zum anderen von einer klaren Wettbewerbsverzerrung für die sächsischen Clubs. Zudem gab er sinngemäß zu Protokoll, dass es die Möglichkeit gäbe, eventuell für die Spiele der sächsischen Clubs das Heimrecht zu tauschen, da der Verband dies in der Spielordnung vorgesehen hat und er bot dies explizit als Mittel des Verbandes an um die Gleichheit der Vereine wieder herzustellen. Abschließend benannte er noch das Minimalziel des Verbandes, mindestens 50% der Saisonspieltage zu schaffen um somit einen abrechenbaren Wettbewerb zu erreichen.

Keine drei Tage später konnte er sich an diese Worte wohl nicht mehr erinnern und der MDR berichtete, dass der Heimrechttausch vom Tisch sei und der Verband zu einer Krisensitzung zusammen kommt. Konkret wurde dargestellt, das Energie Cottbus nicht bereit sei dem Heimrechttausch zuzustimmen und die BSG Chemie nun alternativ gern die drei Heimspiele ins neue Jahr verlegen würde.  Die Krisensitzung am Abend führte dann zu der Entscheidung, dass die Regionalliga wie gewohnt weiterlaufen sollte, damit man vor einem möglichen totalen Lockdown so viele Spiele wie möglich noch schaffe. Alle Ligen unterhalb der Regionalliga hingegen sollten sich in eine sofortige Winterpause begeben. Als spannender Randfakt dabei ist zu nennen, dass der Verband diese Entscheidung ohne eine Rücksprache mit den Vereinen der Regionalliga Nordost getroffen hat. Die BSG Chemie ist mal wieder der vorgegaukelten Unterstützungsbereitschaft von Hermann Winkler auf den Leim gegangen und schaut nun erneut finanziell in die Röhre.

Herrmann Winkler der Präsident und Social Media

Deshalb müssen wir uns Hermann Winkler nähern, um seine Motive zu verstehen. Bereits im Flutlichthema stellte er sich lange Zeit als der unterstützende Präsident dar, ehe die Entscheidung gegenteilig ausfiel. Ein Muster was hier wieder zu erkennen ist. Generell muss man sich mit der Frage beschäftigen, was hat Winkler konkret unternommen, um den Amateurfußball durch die pandemische Krise zu bringen? Hat er sich immer wieder intensiv mit der Politik der einzelnen Bundesländern, oder mit großen Sponsoren getroffen und um Unterstützung für welcher Art auch immer für die Amateurvereine zu werben? Es macht eher nicht den Anschein.

Dabei müsste Winkler doch ein Experte im politischen Spiel sein, ist er nicht durch seine Zeit im Europaparlament und durch seine Mitgliedschaft in der CDU bestens mit politischen Vorgängen vertraut. Den politischen Werdegang von Hermann Winkler haben wir hier bereits einmal ausführlich durchleuchtet. Weshalb wir uns nun einem weiteren Aspekt widmen müssen? Dem öffentlichen Auftreten von NOFV-Präsident Winkler!

Hermann Winkler ist sehr aktiv in den sozialen Netzwerken und neben Facebook noch auf Instagram und Twitter vertreten. Erkennbar an seinem fast schon „ikonischen“ Profilbild, ein Konterfei seiner selbst im Comicstiel, vor einem beigen Hintergrund. Gut ein wenig korrigieren müssen wir uns an dieser Stelle, auf Twitter war Hermann Winkler unter den Nicknamen @hwinkler16 aktiv, erfuhr jedoch insbesondere nach der Flutlichtsache zu Beginn der Saison sowie der CURA-Debatte um Tennis Borussia Berlin viel Kritik auf der Plattform. Dies führte zunächst dazu, dass Winkler sich vieler seiner Kritiker durch wegblocken entledigte, darunter weite Teile des Autorenteams dieses Blogs und Podcasts. Wenig später legte er sein Twitterprofil dann ganz auf Eis.

Umso interessanter sind hingegen seine Instagramposts unter dem Nicknamen, welche einen tieferen Einblick in seine Lebenswelt geben. Und so fällt er dann mit wahrscheinlich witzig gemeinten, aber peinlichen Beiträge zu seiner Sicht auf den Wahlkampf und die sich anbahnende neue Regierung sowie dem verbreiten von haarstäubenden Bildzeitungsmeldungen eher negativ auf. Über die Pyro des Lokalriavalen beim Derby äußert er sich locker mit dem Wort „Novemberbodennebel“, während parallel dazu der Verband bei Pyroaktionen anderer Vereine überhart durchgreift. Auch zu erwähnen ist das Aufgreifen eines Tweetes von Karl Lauterbach zur 2G-Problematik beim Lokalrivalen, welchen Winkler wie folgt kommentiert:

„Oh, die große Bundespolitik widmet sich den Problemen eines Regionalligavereins-super! Hätte er sich mal lieber erkundigt, welchen Schaden die oft unlogischen uns aktionistischen  Verordnungen dem Sport und insbesondere den Kindern und Jugendlichen in unseren Vereinen zufügen und wie Vereine und Verbände damit zu kämpfen haben …“

Instagrampost von NOFV-Präsident Hermann Winkler

Sehen wir mal davon ab, dass der Tweet von Lok schon leicht daneben war, so ist auch diese Antwort von Winkler bezeichnend und wirkt hilflos, deutet sie doch an, dass er in seiner Funktion als NOFV-Präsident scheinbar mit seinen Argumenten und seinem Werben für die Unterstützung des Amateurfußballs eben nicht bis zu den politischen Entscheidern durchgedrungen ist.

Winkler und die BSG Chemie

Doch kommen wir zurück zu Winklers Beziehung zur BSG Chemie. Winkler mag es sich als Chemiefreund zu verkaufen, zeigte er doch, wie bereits ausgeführt zunächst hohes Verständnis für die Belange der BSG Chemie, sei es in der damaligen Flutlichtthematik oder aber auch in der aktuellen Spielverschiebungsproblematik. In den internen Verhandlungen damals wie heute jedoch wusste er von seinen öffentlichen Worten und Zugeständnissen dann nichts mehr. Und auch das wird einmal mehr durch den aktuellsten Post in seinem Instagramprofil untermauert, in dem er Chemie-Boss Frank Kühne die Worte im Mund herumdreht.  Und so postet er folgendes unter das Bild einer TV-Kamera im Einsatz innerhalb des Bruno-Plache-Stadions:

„Der Freistaat Sachsen hat Zuschauer untersagt, die RL-Vereine sagen max. 2-3 Spiele „überleben“ sie ohne Fans im Stadion. Der Präsident von Chemie Leipzig sagte im kicker-Interview „… sportlich muss das leere Stadion kein Nachteil sein.“ Deshalb hat sich der NOFV entschlossen, die RL Nordost weiter spielen zu lassen. …“

Instagrampost von NOFV-Präsident Hermann Winkler

Besagter kicker-Artikel hat jedoch einen völlig anderen Fokus und Frank Kühne macht überwiegend darauf Aufmerksam, dass dem Verein durch die Zuschauerausschlüsse in etwa 60.000 Euro durch die Lappen gehen und er darin eine Wettbewerbsverzerrung erkenne, und das Geld dem Verein niemand wiedergebe. Der Kicker benennt dies auch als Kritik an den Verbänden. Winkler hingegen sucht sich für seine Einschätzung der Lage den belanglosesten Nebensatz des gesamten Interviews heraus.

Übertragen wir diese Vorgehensweise auch auf das das Pandemiemanagement und die Form des Werbens um Unterstützung für den Amateurfußball im Osten von Hermann Winkler, dann haben wir ein erhebliches Problem. Mit diesem fehlenden Geist, dieser falschen Darstellung in der Öffentlichkeit und diesem Unverständnis für die wesentlichen Probleme der Vereine, scheint sich keinerlei seriöse Verhandlungsbasis einzustellen  und wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, ob Winkler dem Präsidentenamt eines Fußballverbands gewachsen ist?

Winkler wirkt nach außen wie der nette Nachbar von nebenan, der gern mit dir über Fußball fachsimpelt, mal ein Späßchen zur aktuellen Lage macht, sich über seine Witze selbst kaputtlacht und dir dabei staatsmännisch auf die Schulter klopft. Währenddessen kämpfen aber die Vereine in seinem Einzugsgebiet ums nackte Überleben! Vereine unterhalb der Regionalliga wissen nicht wie sie sich überhaupt am Leben halten sollen und Vereine in der Regionalliga erfahren maximal Unterstützung vom Verband, wenn sie sich im Großraum Berlin befinden. Wann treten Sie zurück, Herr Winkler?