„Kleiner Himmler“ jagt „Linksextremisten“

Die brandenburgische AfD um Rechtsausleger Andreas Kalbitz diskreditiert politische Gegner als Extremisten, um sich selbst reinzuwaschen. Die Attacke zielt auch auf Fans der BSG Chemie Leipzig.

Andreas Kalbitz hat ein Problem. Genau genommen mehrere. Nicht nur, dass man ihn als „kleinen Himmler“ verspottet. Mittlerweile möchte man den radikalen Rechtsausleger sogar in der eigenen, am äußersten rechten Rand agierenden Partei gerne loswerden. Nur in Brandenburg darf Kalbitz weiter seinen rechten Umtrieben nachgehen – als Mitglied der märkischen AfD-Fraktion, obwohl ihn die Bundespartei längst rausgeworfen hat. Zumindest den Fraktionsvorsitz lässt Kalbitz mittlerweile ruhen, bis auf weiteres bei vollen Bezügen.

Wer derart unter Beschuss steht, sucht sein Heil in der Offensive (das Vokabular habe ich bewusst an das Subjekt der Berichterstattung angepasst). Aber so lustig ist das gar nicht. Kalbitz und Gesinnungsgenossen versuchen alles, um die Legitimität und Glaubwürdigkeit ihrer politischen Gegner zu untergraben und das braune Hemd mit einer weißen Weste zu verdecken. Und politische Gegner gibt es viele – von Antifas über Flüchtlingsinitiativen bis hin zur sozialdemokratischen Jugendorganisation „Die Falken“. Das Umfeld des SV Babelsberg eignet sich besonders als Zielscheibe. Der Potsdamer Kiezclub steht für eine bunte Fankultur und eine starke gesellschaftspolitische Positionierung – für Gleichberechtigung, Integration und Antirassismus. Also für alles, was die AfD bekämpft.

Jetzt machen Kalbitz und seine AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag Stimmung gegen den Verein und seine Fans. In einer parlamentarischen Anfrage diffamieren Kalbitz und Fraktionskollege Lars Schieske die Babelsberger Fansszene als „linksextremistisch“. Darin ist die Rede von „Problemfans“ und Verbindungen zur „autonomen linksextremistischen Szene in Potsdam“. Ein besonderes Vergehen will die AfD darin erkannt haben, dass die Landtagsabgeordnete Isabelle Vandre von der Partei Die Linke zugleich im Vorstand bei Nulldrei sitzt und Mitglied bei der „Roten Hilfe“ ist, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Doch damit nicht genug. Wörtlich heißt es weiter:

Die Fangruppierungen des SV Babelsberg 03 e.V. stehen darüber hinaus in freundschaftlicher Verbindung mit denen des FC St. Pauli von 1910 e. V. und des BSG Chemie Leipzig e.V.. Beide Fanlager sind für ihre Verbindungen ins linksradikale und linksextremistische Milieu bekannt. Ferner sieht das Bundesamt für Verfassungsschutz gerade in den linksextremistischen Szenen der beiden Städte Hamburg und Leipzig die Gefahr für einen neuen Linksterrorismus.

Daran schließt ein Fragenkatalog an, in dem der Landesregierung unterschwellig der Handlungsauftrag erteilt wird, die Fans des SV Babelsberg 03 vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, ein Präventionsprojekt gegen die Verbindungen „mit dem linksextremistischen Milieu“ zu starten und die Kontakte in die vorgeblichen Antifa-Hochburgen Hamburg und Leipzig aufzuklären. Während also bei Energie Cottbus das Projekt „Energie für Vielfalt und Toleranz“ finanziert wird, sollte doch bitteschön auch ein entsprechendes Pendant beim SV Babelsberg gestartet werden. Wie das dann wohl heißen würde? „Nulldrei gegen Vielfalt und Toleranz“ vielleicht.

So absurd die Fragen und die zu Grunde liegenden Thesen auch sind, schon allein mit der Formulierung der parlamentarischen Anfrage sind die extremen Rechten ihrem Ziel, die anderen zu diskreditieren und sich darüber selbst zu normalisieren, wieder ein bisschen näher gekommen. Das hat Methode. Seit Monaten versucht die brandenburgische AfD, das Netzwerk „Tolerantes Brandenburg„, einst vom sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe ins Leben gerufen, als „linksextrem“ in Verruf zu bringen. Dabei ist „Tolerantes Brandenburg“ ein bundesweit anerkanntes Präventionsprojekt, das vom Land in den 90ern, den berüchtigten Baseballschlägerjahren, nach einer Reihe brutaler Attacken von Neonazis ins Leben gerufen wurde und hinter dem sich bis heute alle demokratischen Parteien versammeln (Nicht so in Sachsen, wo man sich bis heute mit einer parteiübergreifenden Initiative gegen Rechtsextremismus schwertut. Die Ergebnisse sind bekannt, aber das ist ein anderes Thema). Zur Zielscheibe nimmt sich die märkische AfD auch andere Initiativen, die gemeinhin als links gelten, also für Weltoffenheit eintreten und damit genau das erreichen wollen, was das Grundgesetz als gegeben annimmt.

Parlamentarische Anfragen zu stellen, ist das gute Recht einer jeden Fraktion, auch der AfD, die in Teilen vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird, etwa in Brandenburg. Man darf gespannt sein, inwiefern sich die Landesregierung auf das AfD-Framing einlässt. In der Koalition aus SPD, CDU und Grünen dürfte es grundsätzlich sehr unterschiedliche Positionen darüber geben, wie die Fanszenen bei Nulldrei, Chemie und St. Pauli zu bewerten sind.

In Hamburg, Leipzig und Potsdam wird man das alles mit großem Interesse zur Kenntnis nehmen. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, von verkappten Nazis als „linksextremistisch“ geadelt zu werden.